Ich steckte mitten im Umzug. Wien sollte ich hinter mir lassen und im südlichen Niederösterreich meine neue Heimat finden. Kästen und Schubladen mussten geleert und alles in Kisten verpackt werden. Also kramte und kramte ich und zwischen all dem Gerümpel, der sich so über Jahre angesammelt hatte, fiel mir ein kleines Büchlein in die Hände. „Schreyek Anna“ stand in zarter Feder geschrieben drauf. Es war der Mädchenname meiner Oma.
Das Hefterl – es glich einem alten, vergilbten Schulheft – fiel schon fast auseinander. Die Heftklammern, die üblicherweise die Innenseiten mit dem Heftrücken zusammenhielten, waren nicht mehr vorhanden. Die linierten Blätter flatterten heraus. Vorsichtig sammelte ich die Seiten ein. Seite für Seite. Es waren die handschriftlichen Rezeptaufzeichnungen meiner Oma. Speisereste klebten an den Seiten. Das persönliche Rezeptheft kam wohl oft zum Einsatz.
Behutsam blätterte ich durch die Seiten und las laut vor: Bauernbrot, Kaiserschöberl, Apfelnocken, Böhmische Dalken, Streusel-Zwetschkenkuchen, Rumschnitten,….
Es waren dies alles Lieblingsgerichte meiner Oma. Gleichzeitig kamen die Erinnerungen an meine Kindheit. Bilder tauchten im Kopf auf, als meine Großmutter gerade Germknödel machte, die ich so sehr liebte. Ihre Wohnung verwandelte sich kurzerhand in eine kleine Backstube. Der Duft von Zimt und frischer Germ lag in der Luft. Die Küche eingehüllt in einen Mehlschleier – es schien, als würde feiner Nebel durch die Wohnung ziehen. Die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster lachten, taten ihr Übriges. Die Ungeduld nach diesen mit Powidl gefüllten Germteigkugeln wurde immer größer.
Das Klingeln an der Eingangstür holte mich wieder in die Gegenwart und in mein Umzugschaos zurück.
Wenn das nicht der ideale Zeitpunkt einer neuen Reise war. Eine Reise in eine unbekannte Zukunft. Denn das Auffinden dieses kleinen Heftchens, in dem so viel Geschichte steckt, war der Beginn und zugleich die Geburtsstunde der Häferlguckerin. Nicht ganz unbeteiligt, vielmehr Frontman bei der Entwicklung und der Gestaltung des Außenauftritts: Michael - mein Schatz und Grund für das entstandene Umzugschaos vor mittlerweile etwas über vier Jahren.
Mein Kochblog, den Michael konzipierte, soll ab nun meine persönliche Rezeptsammlung werden - dem Lauf der Jahreszeiten angepasst. Mein Kochblog, soll aber auch zuckersüße Küchengeheimnisse und Familienrezepte meiner Oma lüften, sie neu interpretieren und in Szene setzen. Im World Wide Web gespeichert und festgehalten – für die Ewigkeit. Für meine Oma war Kochen pure Leidenschaft. Diese Faszination für gutes Essen und die Liebe zum Detail ist es, die mich antreibt und die ich mit euch hier teilen möchte.
Viel Vergnügen beim in´s Häferl, oder eben in die Kochtöpfe gucken, den Rezept´ln mit Geschichte, Entdecken und Ausprobieren der kunterbunten Köstlichkeiten.
Gibt man etwa den Suchbegriff „Häferlgucker“ in der Suchmaschine ein, so wird auf wien.gv.at der Begriff „Häferlgucker“ umgangssprachlich als ein neugieriger Mensch, „…der sich in der Küche über Zusammensetzung und Zubereitungsstand der Speisen informiert“, beschrieben. Weiters wird hier davon ausgegangen, dass die Bezeichnung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstanden ist, „…als die Regierung im Sinne einer merkantilistischen Wirtschaftspolitik den Import von Delikatessen zu beschränken
und den Verbrauch heimischer Nahrungsmittel zu fördern suchte.“